"Im Odonien kriegst du hautnah mit, wie Kunst entsteht."

Ein Interview mit dem Künstler und Gründer des legendären "Odonien" Odo Rumpf.

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„Odonien“ - dieser Name ist weit über die Kölner Stadtgrenze hinaus bekannt. Atelier, Veranstaltungsort, Party-Location, die Heimat des einzigartigen Roboterfestivals „Robodonien“, ein "lebendes Kunstwerk" - der "Freistaat" Odonien hat viele Gesichter und offenbart sich jedem Besucher in einer anderen Gestalt, abhängig davon mit welcher Intention und zu welcher Uhrzeit er sich dorthin begibt. Der Ort, der sich in der berühmt-berüchtigten Hornstrasse in direkter Nachbarschaft eines der größten Freudenhauses Europas befindet, zieht sofort in seinen Bann, weil er ungewöhnlich ist und mit Normen und Konventionen bricht. Erschaffen hat ihn Künstler Odo Rumpf. Zunächst nur als sein Atelier genutzt, öffnete er das Areal für alle und schuf damit einen Ort, in dem sich Kreativität frei entfalten kann und an dem die unterschiedlichsten Ideen ohne Grenzen und Barrieren aufeinanderprallen können, um etwas Neues zu erschaffen. Das Odonien ist nicht einfach nur ein Ort, sondern eine einzigartige Ideenschmiede, zu der jeder etwas beitragen kann. Seit mittlerweile 30 Jahren ist Odo in Köln ansässig und als Künstler aktiv. Aus alten, entsorgten Gegenständen, die er überall auf der Welt findet, baut er Skulpturen und haucht ihnen so neues Leben ein. Im Frühjahr besuchte ich ihn in seinem legendären Atelier und fühlte mich auf Anhieb willkommen und wohl. Wir sprachen über seine Anfänge, seine Arbeit, das Odonien und natürlich Köln. 

Du bist in Leverkusen geboren und aufgewachsen. Was sind Deine ersten Erinnerungen an Köln? 
Was die erste Erinnerung ist, kann ich nicht genau sagen. Köln ist neben Leverkusen natürlich immer die große Stadt, die Metropole, gewesen. Als Kind habe ich mit den Eltern Ausflüge nach Köln gemacht - in den Zoo, zur Seilbahn. Im Vergleich ist Leverkusen immer ein Dorf geblieben, hat nur ein Zehntel der Einwohner von Köln. Eigentlich hätten die Leverkusen direkt mit nach Köln eingemeinden können. 

Mittlerweile bist Du seit fast 30 Jahren als Künstler aktiv. Was war Dein Traumberuf als Kind? Hat Kreativität in Deiner Kindheit überhaupt eine Rolle gespielt oder hattest Du eher andere Hobbys?
Ein Traumberuf war da erst mal nicht dabei. Als Kind war ich aber immer am Frickeln. Das fing mit dem Basteln im Kindesalter an, bei dem man sich aus den einfachsten Dingen ganze Fantasiewelten erschuf. Irgendwann kamen Technik und Mechanik hinzu, man bastelte nun an Fahrzeugen wie dem Fahrrad, einem Mofa, einem Auto. Das war meine Art der Kreativität. Aber das hat man gemacht, weil man da Bock drauf hatte und nicht weil das ein Berufswunsch war. 

Zur Kunst bist Du über Umwege gekommen. Zunächst hast Du Maschinenbau studiert. Wie war da die Verbindung zur Kunst?
Nach der Schule musste und wollte ich etwas machen. Den Zivildienst hatte ich in einem Kinderheim absolviert und dort mit den Kindern meine Kindheit noch mal nachgespielt. Dementsprechend hatte ich danach auch Bock, richtig reinzuhauen und etwas zu lernen. Das war Ende der 70er Jahre und Maschinenbau war zu der Zeit eine ganz schöne Sache. Da ich aus einer Ingenieurfamilie komme, lag es sehr nahe Maschinenbau zu studieren. Das Studium war allerdings sehr schwer. Maschinenbau war ja immer ein wenig Aachener Elite. Aber da es damals die geburtenschwachen Jahrgänge waren, bin ich da irgendwie reingerutscht und konnte dort auch mit einem eher schlechteren Abizeugnis studieren. Heute muss man eine 1,0 haben, um da aufgenommen zu werden.   
Ein Kunststudium war für mich damals nicht so spannend, muss ich sagen. In der Jugend und besonders während der Studienzeit habe ich schon viele verrückte Sachen gemacht, die heute alle unter den Begriffen „Moderne Kunst“, Performance oder Bildhauerei durchgehen würden. Das fing mit der Einrichtung meines Zimmers an, über die Klamotten, die ich trug, bis zu den verrücktesten Kunstperformances, die ich gemacht habe. Damals habe ich mich aber nicht als Künstler empfunden. Ich habe einfach das gemacht, was mir Spaß gemacht hat, ohne das als Kunst zu bezeichnen. Mein ganzer Freundeskreis bestand nur aus Künstlern und Designern. Ich habe auch bei verschiedenen Künstlern gearbeitet, vor allem bei Professor Thomas Virnich, der damals in Aachen sein Atelier gehabt hat. Er war ein netter Typ, mit dem ich mich super verstanden habe. Der Job bei ihm war interessant und wurde gut bezahlt. Diese Faktoren waren für mich damals das Wichtige. Ich war aber auch gut und konnte mich gut in ihn hineinversetzen. Kreativität war dabei wichtig und als Assistent mit ihm Ideen zu entwickeln, war klasse. Aber in erster Linie war das nur ein Job für mich. 
Während des Studiums habe ich auch experimentelle Filme gemacht und mit einigen sogar ein paar regionale Preise gewonnen. Das war ja damals alles neu Anfang der 80er, ein neues Medium. Ich weiß noch, wie wir von der Hochschule eine Kamera gestellt bekamen - ein riesiger Klotz mit einer fetten Linse, wo alles mit einem Rekorder aufgenommen wurde. Sie sah aus, wie heute eine Spielzeugkamera aussehen würde - alles fett und groß. Das hat mich aber alles interessiert und ich bekam dann auch einen Job an der Uni im Medienzentrum. Ich war also eher in diesem Bereich kreativ tätig und hatte mich darin weiterentwickelt. Dann kam auch die Fotografie dazu. 

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Odo Rumpf in seinem legendären "Freistaat" Odonien, seinem größten Kunstwerk, wie er selbst zu sagen pflegt. (© Daniel Zakharov)  

Was war der Auslöser 1991 Deinen Job zu schmeißen und sich nur noch auf die Kunst zu fokussieren?
Ich habe meine Diplomarbeit im Ausland gemacht, war eineinhalb Jahre unterwegs. Der folgerichtige Schritt nach dem Studium wäre gewesen, arbeiten zu gehen. Aber zu diesem Zeitpunkt hatte ich schon die Praxis im Maschinenbau kennengelernt und das Erlebte gab mir zu denken, ob ich überhaupt in diesen Beruf einsteigen will. Bei verschiedenen Praktika hatte ich gesehen, wie so ein Bürojob aussieht und das war von der ganzen Umgebung nichts für mich. Denn mit dem ganzen Frickeln, das mir ja Spaß gemacht hat, hat der Diplom-Ingenieur nichts mehr zu tun. Er ist Chef, sitzt meistens in seinem Büro und leitet irgendwas. Das war überhaupt nicht mein Ding. Zunächst wollte ich im Filmbereich weitermachen und einen Spielfilm drehen, indem ich experimentellen Film mit einer Dokumentation kombiniere. Ich überlegte mir eine Geschichte und hatte sogar einen Autor gefunden, der sie aufschreiben sollte. Der sagte aber immer nur: „Lass mich in Ruhe.“ 
Nun war ich immer so ein Typ, der machen muss. Zu dem Zeitpunkt bin ich wieder zurück nach Leverkusen gezogen und musste meine Wohnung neu einrichten. Also lieh ich mir von einem Freund ein Schweißgerät und von meinem Vater eine Flex und begann in einem Schuppen Möbel zu bauen, um meine Wohnung einzurichten - Möbel aus edlem Schrott. Ich machte Bilder von den Möbelstücken und brachte sie zum Entwickeln zu einem Fotografen. Das Witzige war dann, dass alle, die die Bilder gesehen haben, meine Sachen toll fanden. Mit einer Fotomappe bin ich dann zu Möbelläden, zu Ausstellungsräumen oder Kunstvereinen gegangen, um ihnen meine Arbeiten zu präsentieren. Das war 1991. Ein Jahr später hatte ich mit meinen Möbeln bereits 11-12 Ausstellungen. Und dann hatte ich das Riesenglück die großen Hallen in Nippes zu kriegen, wo ich dann 15 Jahre mein Atelier hatte. Dort habe ich mich dann richtig entwickeln können und irgendwann war der Zug, noch mal als Ingenieur zu arbeiten, dann auch abgefahren. Das hätte mir zu dem Zeitpunkt auch keinen Spaß mehr gemacht. Mit meinen Möbeln war ich eigentlich schon ganz erfolgreich, hatte große Aufträge. Zum Beispiel habe ich zusammen mit einem Mitarbeiter ein ganzes Jahr in einem großen Blumenladen in Düsseldorf Oberkassel gearbeitet, um diesen mit „Schrott“ einzurichten. Schrott in Anführungszeichen, denn es sind ja edle Fundstücke, die ich verarbeite. Das alles funktionierte dann auch finanziell und begann allmählich in die reine Kunstsparte überzugehen. Irgendwann war die Arbeit nicht mehr zweckgebunden. Durch mein Studium war die Zweckverbindung zunächst natürlich ganz extrem, alles musste einen Sinn und Zweck haben, deshalb auch Möbel. Das hatte sich dann aber aufgelöst. 
Mitte der 90er musste mein Status dann auch für das Finanzamt geklärt werden. Die wollten mich zunächst in die Metallbauabteilung schieben, dann hatte ich aber an der Kunstakademie Düsseldorf eine Mappe eingereicht und eine offizielle Anerkennung als Künstler bekommen. So ist das zu meinem Beruf geworden, den ich bis heute noch ausübe. 

Deine Skulpturen entstehen aus alten, entsorgten Gegenständen unserer Zivilisation, die vorher oftmals für den Fortschritt standen. Was fasziniert Dich an diesen Gegenständen? Wie kommt man dazu, solche Dinge zu sammeln?  
Für den Laien wird das hier vielleicht wie ein Schrottplatz aussehen. Das ist es aber nicht. Das ist halt Unwissen. Viele Leute können überhaupt nicht differenzieren und das zeigt, wie einfach sie gestrickt sind. Die würden wahrscheinlich auch einen Menschenfriedhof von einem Hundefriedhof nicht unterscheiden. Die Sachen, die sich hier in meinem Atelier befinden, sind zu 90 Prozent Dinge, die mir eine Geschichte erzählen. Die sind nicht zufällig hierhin gekommen, entweder habe ich sie persönlich hierhin geholt oder sie wurden von jemand anderem extra hierhin gebracht. 
Eigentlich bin ich erst einmal ein Sammler. Das war ich als Kind schon. Damals konnte es ein riesiger Setzkasten sein, in den ich eine tote Spinne oder einen Kerzenstummel reingelegt habe - irgendetwas was mich faszinierte und wo ein Erlebnis hinter steckte. Odonien ist genau dasselbe, nur in einer größeren Dimension. So hat sich das weiter durch mein Leben gezogen. Wenn ich zum Beispiel später in den Urlaub gefahren bin, in die Normandie oder nach Irland, hatte ich immer einen Anhänger mit einem Schweißgerät und einem Brenner dabei. Schrott entwickelt sich von seiner Oberflächenstruktur und von den Farben überall unterschiedlich, in Irland zum Beispiel ganz anders als in Deutschland. Das liegt daran, dass die Luft und die Umgebung anders sind. Das ist sehr faszinierend. Außerdem ist da noch die Andersartigkeit der Gegenstände und Dinge. Wenn da eine landwirtschaftliche Maschine auf dem Feld war, dann war das natürlich ein ganz anderes Fabrikat als hier bei uns, das auch eine andere Optik hatte. Andere bringen Erinnerungen in Form von Fotos aus dem Urlaub mit, bei mir sind es halt Gegenstände. Das konnte dann auch mal eine Tür von einem Bunker sein oder andere Objekte aus dem Krieg, auf die sonst keiner geachtet hätte. Diese Gegenstände haben eine eigene Aura und erzählen mir Geschichten. Wenn du so eine Bunkertür siehst, dann beginnst du darüber nachzudenken über das, was in der Vergangenheit passiert ist, über den Krieg. Das sind ja sehr wichtige Mahnmale. Hinzu kam die Tatsache, dass die Sachen nicht mehr neu waren. Eine Schraube, die total verrostet, verbeult, verkratzt und zerrissen ist, erzählt mir eine ganz andere Geschichte, wie eine neue Schraube aus dem Laden, wo alle absolut identisch genormt sind. So kam meine Sammlung dann nach und nach zustande.

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Zwei Bilder vom Robodonien-Festival. (© Daniel Zakharov)  

Was war Dein skurrilstes Fundstück in all der Zeit? 
Über mir siehst du das Cockpit einer Antonow. Das ist eins der ungewöhnlichsten Fundstücke und natürlich schon sehr beeindruckend, weil das eine gewisse Größe hat. Allerdings habe ich das Cockpit nicht selbst gefunden. Eines Tages kam einer an und sagte: „Hör mal, ich hab hier ein Cockpit von einem Filmdreh. Willst du das haben?“ Der hätte das auch zum Schrott bringen können. Ich habe ihm Geld für den Transport gegeben, weil mich das Ding so angesprochen hat. Da kommt bei mir der Ingenieur wieder durch. Normalerweise siehst du diese Flugzeuge total glatt, von innen wie von außen. Aber was da für eine Technik drinsteckt, sieht man nicht. Wenn du aber da mal reingehen würdest, ist es plötzlich vollgespickt mit Technik, mit einer Struktur. Das ist schon faszinierend solche Einblicke zu erhalten, sie weiterzugeben und als Gedankengut in einer Installation zu sehen. 
Aber auch so ein Kran, wie der gelbe da hinten. Der gehört ja auch zur Sammlung. Wir könnten uns allein über den Kran zwei Stunden unterhalten. Ich habe die Firma ausfindig gemacht, die den gebaut hat und erfuhr, wo er herkam, aus welchem Grund da eine Kröpfung eingebaut wurde, welche Rolle er beim Bau einer Firma in Düsseldorf gespielt hat und wie er drei Generationen später wie ein Museumsstück auf einmal nicht mehr gebraucht wurde. Wir haben ein Fest daraus gemacht und haben ihn in einer Kunstperformance hierhin gefahren. Plötzlich hängt an einem Fundstück eine Riesengeschichte. Das ist so stark, dass es gar nicht komplett verarbeitet werden kann. 

Wie entstehen Deine Kunstwerke? Wie gehst Du vor?
Die Inspiration liefert mir mein Riesenfundus. Ich weiß eigentlich immer, wo etwas ist und welche Teile ich habe. Die einzelnen Details für meine Kunstobjekte nehme ich alle aus meiner Sammlung. Wenn ich dann ein großes Gesicht gestalte, wie das, wo der Mitarbeiter gerade dran arbeitet, dann finde ich dafür alles hier in meinem Fundus - die Augen, die Nase, die Haare und den Mund. Ich habe kein Teil davon irgendwo anders besorgt.
Für die Installation da drüben zum Beispiel (zeigt auf eine entstehende Installation aus Schienen), an der wir schon mehrere Monate arbeiten, habe ich ebenfalls alle Sachen hier gefunden. Diese Schienen hatte ich zum großen Teil von einer anderen Installation, die ich mal für einen Kreisverkehr entwickelt habe. Sie wurde allerdings nie realisiert, weil die Firma, die die Technik hergestellt hat, irgendwann eingestampft wurde. Die Schienenanlagen wurden extra für die Installation gebogen. Über 10 Jahre lagen die jetzt hier ungenutzt rum, ich habe sie immer von A nach B transportiert, wollte sie aber auch nicht zum Schrott geben, weil sie mit einer Geschichte und einem Projekt zu tun hatten. Hätte ich die nicht aufbewahrt, wäre ich vielleicht gar nicht auf die Idee gekommen, hier eine Eisenbahnstrecke aufzubauen. Dann müsste ich die Schienen kaufen, das wäre ein völlig anderes Konzept. Mein Konzept ist es, die Dinge, die mir wichtig sind und die ich gesammelt habe, für die Kunstwerke zu benutzen. 
Bei Auftragsarbeiten kann es aber auch mal passieren, dass ich extra dafür Gegenstände suche. In Monheim habe ich mal eine riesige vierteilige Installation gebaut. Es ging um die Geschichte von Monheim, die viel mit der Schiffsfahrt zu tun hatte. Da bin ich schon speziell auf die Suche nach guten Fundstücken gegangen, um sie in meiner Installation zu verarbeiten. Zum Beispiel nach einem Schiff oder Förderbändern.

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Skulpturen im Odonien. Rechts: Eine Skulptur bestehend aus dem Cockpit einer Antonow. © Daniel Zakharov

Dein Studium ist für Deine Arbeit wahrscheinlich sehr nützlich.
Ja, das ist vollkommen richtig und auch ein wichtiger Aspekt meiner Arbeit. Allerdings nicht das Berechnen, denn dafür habe ich genug Leute und hole auch immer einen Statiker hinzu. Aber so wie Du über Fotografie Bescheid weißt, kenn ich mich mit meiner Materie aus und kann erst mal bauen. Skulpturen im öffentlichen Raum müssen ja in der Regel abgenommen werden, aber das passiert im Nachhinein. Zuerst baue ich die Dinger und danach werden sie untersucht - wie sind die Schweißnähte, wie ist die Dimension, wo verlaufen die Kräfte? Das muss sich ein Fachmann genau ansehen. Dann kommt es auch durchaus schon mal vor, dass irgendwo noch eine Verstärkung rein soll oder das Fundament vergrößert werden muss. Aber so wie ein Maler weiß, welche Farben er nehmen muss, weiß ich durch meine Ausbildung, wie ich die Installationen bauen muss - wie soll das Fundament sein, wie entwickelt sich eine Statik, wie verhält es sich mit den Windkräften? Durch mein 30-jähriges Know-how weiß ich einfach, wie sich das mit den Kräften verhält, wie sie nach unten leiten, wo es Schwachpunkte gibt, die man ausbessern muss. 

Deine Skulpturen und Installationen sind oftmals groß und tonnenschwer. Welche Bedeutung hat die Größe, das Gewicht und das harte, kalte Material für Deine Arbeit? 
Natürlich könnte ich auch was mit Knetgummi und kleinen Schräubchen machen, aber für mich sind eben Gewicht und Größe die Herausforderung. Ich erinnere mich an eine Skulptur, die ich in Monheim gebaut habe. Da habe ich aus riesigen Gelenkteilen von Tagebaukettenbaggern eine Art Wirbelsäule gebaut. Jedes dieser Teile wog etwa eine Tonne, in etwa das Gewicht eines Kleinwagens. Für jedes einzelne Teil habe ich einen Gabelstapler oder einen Kran gebraucht, um sie so gegeneinander zu schieben, dass es mir auch optisch gefiel. Ein unglaublicher Aufwand, bei einer verdrehten Wirbelsäule, bei der jedes Glied ins andere greifen soll. Jedes einzelne Teil musste durch Bolzen verbunden und fixiert werden. Gleichzeitig musste aber auch die Ästhetik stimmen. 
Ich arbeite im Gegensatz zu vielen Künstlern auch nicht mit einem Modell. Es gibt nur eine Idee. Normalerweise macht man ein Modell und gibt das Fachleuten, die dir das dann in der gewünschten Größe nachbauen - fertig. Aber genau das mache ich nicht. Bei wirklich großen Installationen gibt es ab und zu eine Skizze, um zu verstehen, mit welchen Größen und Kräften man arbeiten wird. Denn ich kann natürlich nicht eine riesige Konstruktion um das Antonow-Cockpit aufbauen und dann, wenn alles festsitzt, feststellen, dass ich das Ganze doch lieber einen Meter höher haben will. Das muss man sich dann auch theoretisch mit den genauen Proportionen schon vorher überlegen. Denn ich muss ja erst mal planen - wie hoch will ich bauen, wie groß soll das Ganze werden, wie baue ich es von der Statik auf? Dafür muss ich entsprechende Maschinen kaufen – einen Kran, der hoch genug ist, Hebebühnen, damit man in 10 Metern Höhe arbeiten kann. Der Rest ergibt sich dann beim Arbeiten.

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Odo Rumpf und sein Solarvogel. (© Daniel Zakharov)

Im wahrsten Sinne des Wortes erweckst du ausrangierte Dinge zum Leben. Wie kam es zu der Idee kinetische Skulpturen zu bauen und mit Solarenergie zu arbeiten? Für den Solarvogel wurdest du ja sogar ausgezeichnet.
Das war Mitte der 90er das Thema. Das waren noch Nachwirkungen vom Studium. Schon damals habe ich mir viele Gedanken über Solartechnik und über regenerative Energien gemacht, und darüber wie Bremsenergie wieder zurückgeführt werden kann. Das waren die Themen im Studium, die mich besonders interessiert haben und die in der heutigen Zeit alle superrelevant geworden sind. So einen Solarvogel zu bauen und dabei „Schrott“ mit Technik zu verbinden, war eine große Herausforderung. Denn hinter dem Schrott, besser gesagt „Fundstücken“, steckt eine hoch entwickelte Maschine. Der Solarvogel ist nicht aus Lego gebaut, wo du genormte Teile hast. Hier ist nichts genormt, jedes Detail ist vom Gewicht, von der Größe anders. Dementsprechend habe ich dann auch jahrelang dran gebaut, bis überhaupt erst mal die Möglichkeit einer Bewegung vorhanden war. Zunächst habe ich das mit einem Bewegungsmodell gemacht, später auch Techniker hinzugenommen. Solarzellen waren damals überhaupt nicht leistungsfähig, heute hast du sie auf jedem Wohnwagen. Damals gab es das alles aber noch nicht, das waren Prototypen. Auch der Computerchip, der im Vogel drin ist – Siemens-Mitarbeiter hatten den neuesten Chip aus der Entwicklung mitgebracht und in den Vogel eingebaut, um seine Steuerung vom Computer hinzukriegen. Das Ding hat mehrere Hundert Kilo und wird mit bestenfalls 10 Watt Energie bewegt. Das ist schon bemerkenswert. Wenn du viel Energie hast und nicht daran sparen musst, dann kannst du alles machen, aber so etwas mit wenig Energie zu schaffen, das interessierte mich. 
Später haben wir auch Windräder und andere Installationen mit Solarzellen gebaut. Mittlerweile ist es für mich aber ein Luxus geworden, so eine große Installation zu bauen. Hinter dem Odonien steckt ja eine große Firma mit vielen Mitarbeitern. Die ganze Kultursache als Geschäftsführer zu leiten, das ist eigentlich schon ein Job für sich. Mir gleichzeitig noch die Freiheit zu gönnen intensiv wieder Kunst zu machen, das war früher sicherlich etwas leichter. Da hast du nichts anderes gemacht, hast auch keine Familie mit drei Kindern gehabt. Deshalb kommt es heute nicht so oft vor, dass neue Ideen entstehen. 

Deine Skulpturen sind in allen möglichen Orten der Welt zu finden. Was war bis jetzt Dein größtes Highlight als Künstler?
Ich bin da ein bisschen gefühlsärmer in der Richtung, aber sicherlich war der Solarvogel im Nachhinein eine ganz große Sache für mich. Der war ja eigentlich als Prototyp für eine weltweite Kunstinstallation gedacht. Alles, was heute normal ist mit den Handys, das hatten wir alles schon damals angedacht. Die Vögel sollten in mehreren Ländern aufgebaut werden und Daten, sowie Videos untereinander austauschen. Wir reden hier über Mitte der 90er Jahre. Das war eine der ersten Ideen die europäischen Hauptstädte über das Internet künstlerisch miteinander zu verbinden, hat von der Technik aber überhaupt noch nicht geklappt, nur in kleinen Ansätzen. Das war schon irre - eine große Herausforderung und ein großartiges Projekt. Wir haben damals mit der Galerie Schüppenhauer, sowie anderen Künstlern und Technikern versucht die Idee umzusetzen. Das große Projekt wurde letztendlich nie umgesetzt. Aber natürlich war es ein großer Moment wenigstens einen Solarvogel in die Welt zu setzen, für den ich dann auch einen großen Kunstpreis bekommen habe.

Jeder Kreative durchlebt Phasen, in denen nichts zu gelingen scheint und man überhaupt keine Ideen entwickeln kann. Wie gehst Du damit um?
Indem ich da gar nicht erst reinkomme (lacht). Nein, dadurch, dass ich das lange mache, weiß ich wie solche Phasen entstehen. Sie entstehen nur dann, wenn man viel zu viele Sachen parallel macht. Deshalb besuche ich ein bis zwei Mal im Jahr Symposien, ob in Deutschland oder in anderen Ländern der Welt. Dort erlebe ich die kreativsten Phasen und kann eine oder zwei Wochen intensiv Ideen entwickeln. Da bin ich auch nicht erreichbar und habe kein Handy dabei. Das ist für mich als Künstler dann wirklich ein Luxus. 
Aber auch den Winter hier im Odonien liebe ich. Das mag vielleicht kalt und schummrig sein, aber dafür habe ich dann meine Ruhe. Der Sommer ist hier eine ganz busy Sache, wo ich mich nicht mit der Kunst abschotten kann. Das fängt jetzt im Frühling langsam alles an. Wir öffnen den Biergarten, der dann drei bis vier Tage in der Woche geöffnet ist. Vom Getränkelieferanten bis zu den Büroleuten muss täglich viel geregelt werden - Vorbereitungen für Veranstaltungen müssen getroffen werden, Dinge, die kaputt gehen, repariert werden. Allein schon vom Geräuschpegel her ist das schwierig. Wenn hier eine Technoparty stattfindet und ich gerade versuche, eine Idee im Atelier umzusetzen, dann kann mich die Musik unter Umständen stören. Oder es kommt mich wieder einer besuchen, der über die Zäune einen Weg in mein Atelier gefunden hat. Nein, für Kreativität brauche ich Zeit für mich und dann schaukelt sich das gegenseitig hoch: Man bleibt an einer Idee dran, kommt weiter, findet Lösungen. Das macht total Spaß. Denn gerade eine Lösungsfindung ist immer das Spannende, das Herausfordernde. Täglich kommt man einen Schritt weiter, Ideen, an die man vor zwei Monaten noch gar nicht gedacht hat, scheinen auf einmal realistisch zu sein. 

"Ich bin seit Anfang der 90er Jahre in Köln und seitdem wird ein Ort nach dem anderen zugemacht."

Dein bekanntestes Kunstwerk ist der „Freistaat“ Odonien, den Du mal als lebende Skulptur bezeichnet hast. Für all diejenigen, die es nicht wissen: Was ist Odonien und wie ist es entstanden?
Das mit dem Kunstwerk hast Du richtig gesagt. Wie erwähnt war ich zunächst 15 Jahre in diesem alten Bahn-Ausbesserungswerk in Nippes. Das waren riesige Hallen, die ich dort mit anderen Künstlern zur Verfügung hatte. Dort hatte ich unglaublich viel Platz zum Arbeiten und konnte mich entwickeln. Aber irgendwann war Ende. Gott sei Dank erst nach 15 Jahren. Eigentlich war es von der Bahn viel früher geplant, das Gelände zu verkaufen. Wir Künstler waren da nur Zwischennutzer unter ganz einfachen Bedingungen, haben symbolisch etwas Miete gezahlt. Für die Bahn war es aber sicherlich gut, dass das Gelände belebt war und so kein Vandalismus betrieben wurde. So hatte jeder was davon. Irgendwann hieß es dann aber - jetzt ist Feierabend. Der Investor, der wirklich das eine Wort mit dem großen „A“ am Anfang war, versuchte alle möglichen Tricks. Das war wirklich wie im Film – auf einmal war der Generator zerstört, dann der Halleneingang eingerissen, Versprechungen wurden nicht eingehalten. Man muss aber sagen, dass es da neben dem Investor auch noch andere Leute mit einem großen „A“ vorne dran gab. Vom Kulturamt und vom Bezirk gab es vorher die Beschlusslage, dass die Künstler in den neuen Bebauungsplan des Geländes integriert werden, was eine tolle Sache gewesen wäre. Aber der Einfluss der Investoren war so gewaltig, dass dieser Beschluss wieder rückgängig gemacht wurde. Letztendlich wurde das mit Geld geregelt und das war mein Glücksfall. Denn so konnte ich das jetzige Gelände finden und diesen irrsinnigen Transport mit 50 Lkw-Fahrten bezahlen. Hier musste einiges gemacht werden, denn ich hatte eine Freifläche gemietet - es gab keinen Strom, kein Wasser, kein Abwasser, nur ein paar Ruinen. Alles musste langsam aufgebaut werden. Zunächst nur mein Atelier. Später ist es zu dem geworden, was es jetzt ist und das ist ein Gesamtkunstwerk, das aber immer in Veränderung bleiben wird. Denn es wird immer wieder durch Leute verändert, die mit ihren Events, Veranstaltungen, mit Kopfkreativität, hier neue Ideen reinbringen. Leute mit Interesse. Das könntest zum Beispiel auch Du sein. Eine neue Idee kann hier immer integriert werden. Eigentlich sind das auch alles Fundstücke, die hier reingetragen werden - Gedankenfundstücke. Deshalb sind wir hier sozusagen in einer Rieseninstallation, die durch unterschiedliche Leute einem permanenten Wandel unterzogen wird und sich immer wieder weiterentwickelt. Sie nehmen Einfluss darauf, wo und wie etwas steht, welche Dimensionen es hat. Hier wird nicht einfach irgendwo irgendwas hingebaut, wichtig ist, dass die einzelnen Dinge zu einem Ganzen werden. Es soll eben eine Gesamtinstallation sein und nicht wie im Museum, wo einzelne Werke aufgestellt sind oder an einer weißen Wand hängen. 

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Work in progress. Quer durch das Odonien baut Odo Rumpf eine neue Installation - eine Schienenanlage, auf der eine kleine Bahn fahren soll. (© Daniel Zakharov)  

Wie kam es dazu, dass Du Odonien, das zunächst nur als Dein Atelier fungierte, für alle geöffnet hast?
Die Idee das Territorium für alle zu öffnen war mir wichtig. Als Nichtkünstler sieht man Kunst normalerweise erst, wenn sie fertig ist - im Museum, in Ausstellungen, in Galerien. Aber mit den Jahren wurde mir das Kunstobjekt oder das fertige Bild, das man irgendwo sieht, weniger wichtig. Das kann mich ansprechen oder nicht, aber das viel Wichtigere ist eigentlich der Mensch dahinter. Wie hat er sich entwickelt, wie kommt er dadrauf, so etwas zu erschaffen? Das kannst du pauschal nicht beantworten. Dafür musst du erstmal über die Biografie, über den Menschen selbst viel erfahren. Dann verstehst du auch die Kunst dahinter. Hier im Odonien kriegst du hautnah mit, wie Kunst entsteht. Deshalb mache ich hier auch Führungen, um den gesamten Prozess von der ersten Idee bis zur fertigen Installation zu zeigen.

Was macht den Mythos und Erfolg von Odonien Deiner Meinung nach aus?
Der Erfolg und Mythos war ja nicht geplant, sondern hat sich mit den Jahren langsam ergeben. Wir reden ja von mittlerweile über 13 Jahren, in denen sich das entwickelt hat. Natürlich profitiert Odonien auch dadurch, dass es der Öffentlichkeit frei zugänglich gemacht worden ist, dass ich mir gesagt habe: „Mach das Atelier auf und lass die Leute teilhaben an den Sachen“. Allerdings wurde dann die Stadt darauf aufmerksam und dann hat sich das alles hochgeschaukelt, Genehmigungen musste her, Sicherheitsaspekte berücksichtigt werden. So entwickelte sich das letztendlich in die Richtung, wie es jetzt ist.

Du sprichst die Zeit an, als Odonien kurz vor dem Aus stand. Warum sind solche Orte vor allem in Köln vom Aussterben bedroht? Ist es ein für Köln spezifisches Problem?
Ob es ein Köln-spezifisches Problem ist, kann ich nicht sagen, aber es ist hier schon sehr auffällig. Ich bin seit Anfang der 90er Jahre hier und seitdem wird ja ein Ort nach dem anderen zugemacht. Was haben wir denn noch? Ein paar Bauwagenplätze, aber da ist nichts mit Kunst. Die "Kolbhalle" ist noch ein Gelände, das existiert, aber da gab es ja auch schon die Räumungsklage. Es kann nichts Neues entstehen. In Berlin gibt es sicherlich noch andere Möglichkeiten in Hallen und auf Geländen, die wir hier aber nicht haben. So etwas haben wir hier nicht mehr. Auf der rechten Rheinseite gibt es noch die KHD-Hallen, aber ausbauen kann man die nicht. Wenn der „Raum 13“ erhalten bleiben kann, dann wäre das schon eine tolle Sache. 
Die Lobby der Bedenkenträger bei der Stadt ist einfach so dermaßen groß. Das sind auch alles Weicheier, das muss man einfach so sagen. Keiner will ein Risiko eingehen. Was hatten wir hier im Odonien für Diskussionen - das hat mich echt Lebenszeit gekostet! Was hier für Ideen von denen kamen: Hier könnte ein Zug abstürzen, deshalb reicht ein Rettungsweg nicht. Hier könnten Leute durch Blitzeinschläge sterben. All das musste berücksichtigt, präventive Maßnahmen realisiert werden und alles nur, weil die Leute so eine Fantasie aufgebaut haben. Die interessiert keine Statistik, die zeigt, dass in Deutschland im Jahr nur etwa fünf Leute an einem Blitzschlag sterben, und dass sie dann meistens auf Flächen sterben, wo nichts ist und nicht an einem Ort wie hier, wo natürliche Blitzableiter existieren. So etwas kann schnell zum Killing Point werden. Oder der Scheiß mit den Parkplätzen. Die haben ihre Richtlinien – das heißt ein Veranstaltungsort mit Besucherzahl x, braucht so und so viele Parkplätze. Aber eine Argumentation – hey, ich bräuchte vielleicht 300 Fahrradparkplätze und nur 10 Autoparkplätze, interessiert die einfach nicht. Aber genau dieses Chaos haben wir dann hier: Wenn wir hier eine Schönwetterveranstaltung haben, beschwert sich alles wegen den Fahrrädern, die aber gleichzeitig nicht mit aufs Gelände dürfen, weil es dort nur einen Parkplatz für 10 Fahrräder gibt. Was für ein Quatsch! Da kannst du eigentlich nur noch abschalten. Das ist dann meistens das Aus für solche Gelände.

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Links: Dieses Jahr findet das 10-jährige Jubiläum von Robodonien statt, einem einzigartigen Festival für Roboterkunst. | Rechts: Der "Velociraptor" - eine Skulptur von Odo Rumpf. (© Daniel Zakharov) 

Dieses Jahr feiert das Robodonien sein 10-jähriges Jubiläum, ein einzigartiges Festival für Roboterkunst. Wie bist Du auf die Idee gekommen, Robodonien zu veranstalten?
Das war so ähnlich wie mit der Solar- und Windtechnik - irgendwann faszinierte mich auch die Robotertechnik. Wir hatten das Thema künstliche Intelligenz zwar auch im Studium angeschnitten, aber richtig beschäftigt hat mich das erst, als ich Künstler war. In Amsterdam gab es ein großes Festival für Roboterkunst. Ich war mehrmals dort und fand das absolut faszinierend. Das fand in einer Werftanlage statt und hatte ganz andere Dimensionen. Das Robodonien ist im Vergleich dazu ein ganz kleines Ding. Dort waren unglaublich große Roboter und Maschinen zu sehen, Eisenbahnwaggons wirkten dort wie Ameisen. Mich hat es damals gewundert, dass es in Deutschland so ein Festival noch gar nicht gibt. Weder in Berlin gab es das, noch in Köln, das für mich, was Kunst und Kultur angeht, die Nummer Zwei in Deutschland ist. Ich fand das Ganze so faszinierend, dass ich mich mehrmals mit dem Veranstalter aus Amsterdam getroffen habe und ihn überreden wollte, sein Festival in einem kleineren Rahmen bei mir im Odonien zu veranstalten. Zusammen mit Jim Whiting, einem der großen Kinetikkünstler, saßen wir hier und haben darüber gesprochen. Aber dem war das alles zu klein hier, er druckste rum und sagte, dass er größere Pläne hätte. Dann meinte Jim Whiting zu mir: „Hör mal, wenn der kein Bock drauf hat, dann machen wir das eben selber.“ Jim hatte die ganzen Kontakte und wusste ganz genau, welche Künstler hierher zu passen würden und so haben wir das einfach gemacht. Am Anfang war das aber überhaupt nicht erfolgreich, die Presse hat kaum darüber berichtet. Ich kann mich an nur einen einzigen kleinen Artikel in einer Zeitung erinnern. Es war eher als Künstlertreffen zu sehen. Wir haben alles auf Low-Budget gefahren, den Künstlern irgendwie die Reisekosten finanziert. Aber wir sind drangeblieben und so hat sich das zu einem Erfolg entwickelt. Vielleicht ist jetzt aber auch die Zeit gekommen zu erkennen, dass wir es nicht noch besser machen und auch nicht wirklich weiterentwickeln können. Dieser Gedanke ist schon vorhanden, auch bei mir persönlich. Ich mache das schon total gerne und es ist eine klasse Sache, aber das Ganze kostet natürlich auch unglaublich viel Zeit, die ich in dem Ausmaß nicht abgeben kann. Natürlich habe ich Assistenten, aber allein die Auswahl der Künstler ist schon sehr aufwendig. Du schaust ja nicht ins Telefonbuch und kennst sie alle auf einmal. Man muss sich informieren, in Kontakt treten. Jedes kleine Ding, was hier bei einem Festival ist, hat etwas Individuelles und muss hier reinpassen - zu Odonien passen. Das ist viel Arbeit. Vielleicht müsste man etwas viel Größeres in der Richtung machen, dafür reicht der Platz im Odonien aber nicht mehr aus. Deshalb können wir auch nichts neues Großes mehr hierhin bringen. Wir haben es immer größer gemacht, auch vom Budget her, aber nach oben ist es jetzt irgendwie zu. Das bedeutet, dass es wahrscheinlich jetzt eher zu Wiederholungen kommt und irgendwann runtergehen wird. Da muss man einfach schauen, ob jetzt nicht der Zeitpunkt gekommen ist, damit aufzuhören. 

Es finden mittlerweile sehr viele unterschiedliche Veranstaltungen in Odonien statt. Es gibt einen Biergarten, Theater, Musik, Festivals, private Veranstaltungen. Was ist Deine Vision für Odonien? 
Wichtig sind die nichtkommerziellen Sachen und da wäre die Vision gewesen, ein eigenes Kulturbüro aufzubauen. Drei Jahre habe ich mit der Rhein Energie versucht hier eine Strukturförderung hinzukriegen. Die hätten wir dafür genutzt ein Kulturbüro aufzubauen und Personal zu bezahlen, um kleinere kreative Projekte, die ich immer noch für die besten halte, zu unterstützten. Es geht dabei noch nicht mal um finanzielle Unterstützung, aber zum Beispiel darum, die ganze Pressearbeit oder Werbung zu übernehmen, damit die Künstler sich wirklich auf ihre Arbeit konzentrieren können. Wenn hier bei mir tolle, innovative Tanztheater ankommen, dann sitzt du zusammen und 90 Prozent der Zeit redest du darüber, wie du das finanziert kriegst und wie Anträge gestellt werden. Das darf nicht die Arbeit der Künstler sein! So ein Büro wäre eine tolle Vision gewesen, aber ich habe einfach aufgegeben. Denn die Möglichkeit, die da gewesen ist, wurde nicht weiter verfolgt. Wir hatten mit der Rhein Energie immer wieder Nachbesprechungen und mir ist nicht plausibel gewesen, warum daraus nichts geworden ist. Die haben es vielleicht nicht verstanden. Vielleicht ergibt sich das irgendwann ja doch noch.

"Die Lobby der Bedenkenträger bei der Stadt ist so dermaßen groß."

Köln war eine Zeit lang eine der bedeutendsten Kunststädte Europas. Wie empfindest Du die kulturelle Situation in Köln heute?
Die ist super! Aber guck dir mal die Akademie der Künste der Welt [eine 2012 in Köln gegründete Kunstinstitution] an. Ich will da gar keine Namen nennen. Es sind aber halt Entscheidungsträger irgendwo an der Spitze, die überhaupt nichts mit Kunst zu tun haben. Sie entscheiden aber. Wir haben so tolle Orte: Die ganzen kleinen Galerien am Ebertplatz zum Beispiel - die sind absolut fantastisch. Die müssten richtig promotet werden. In diesen drei Galerien passiert teilweise mehr als in der ganzen Stadt. Dann wird aber 1 Million, mittlerweile ja etwas weniger, in die Akademie der Künste gesteckt. Was soll denn das? Wer ist denn das in der Akademie der Künste? Irgendeiner der von außen eingreift. Aber was soll der denn hier machen? Dieses Geld hätten die in die Infrastruktur der ganzen Offszene reinstecken sollen. Da wäre keiner von reich geworden, aber mit solch einer Unterstützung, mit kleinen Kulturbüros und Vernetzung hätte viel entstehen können. Das geschieht auch alles parallel, aber viel langsamer und mit einem irrsinnigen Aufwand, den die Künstler aber eigentlich nicht betreiben wollen und sollen. Es gibt so viele kreative Leute hier, gerade mit der Medienhochschule. Als ich damals mit meinem Atelier im Odonien angefangen habe, war hier auch eine Gruppe aktiv, die Musik und Performanceaktionen gemacht hat. Sie setzte sich aus Studenten der Medienhochschule und der Akademie Düsseldorf zusammen. Die waren vorher in den Vulkanhallen, aber die wurden dann ja auch geschlossen. Ihre Aktionen haben wir dann hier im Odonien gemacht. Das war ganz toll und so ist Odonien mit den ganzen Performances und Veranstaltungen auch langsam entstanden. Da gibt es ein riesiges Potenzial in der Stadt und da geht´s überhaupt nicht ums Geld, sondern um die Möglichkeit den Leuten einen Ort zu geben, wo sie sich entwickeln können, ohne dass irgendein Beamter, der überhaupt nichts von Kunst versteht, sagen kann: „Ihr müsst das aber so und so machen“. Und: „Dafür müsst ihr erstmal eine Genehmigung haben und dann einen genauen Plan vorlegen.“ Wie soll sich so Kunst entwickeln? Das ist ein Widerspruch in sich. Dieses Potenzial sieht Köln nicht, es sieht es einfach nicht! Wie kommen die auf so eine Idee wie mit dieser Akademie der Künste? Das ist für mich unerklärlich. Wie gesagt - voll daneben. Das wird einfach runtergewirtschaftet, wie es nur geht. 

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Links: Odo Rumpf mit einer seiner "Nova"-Skulpturen. Rechts: Ein blaues Pferd - eins der vielen Fundstücke, die Odo nach Odonien gebracht hat. (© Daniel Zakharov) 

Kommen wir zu den positiven Aspekten. Was schätzt du an Köln?
Auf jeden Fall das, was so oft genannt wird: Die Art der Leute, die Weltoffenheit, das Multikulti. In der Richtung ist Köln sicherlich einmalig. Ich finde, Köln ist eine tolle Weltstadt. In meinem Fall finde ich es auch bemerkenswert, dass es mit dem Odonien letztendlich doch so funktioniert hat. Denn das sah ja zwischenzeitlich ganz anders aus. Dass sich die Bevölkerung nicht einfach so bestimmen lässt, das schätze ich an Köln. Und das sieht du immer wieder in vielen kleinen Dingen, wo sie einfach auf die Barrikaden geht, ihre Meinung sagt und fordert, dass eine Lösung gefunden wird. Es ist eine sehr aktive und bewusste Bevölkerung hier. Zumindest kommt mir das so vor. 

Köln hat 86 Stadtteile. Was ist Dein Lieblingsveedel?
Gut, ich kenne jetzt nicht so viele. Früher war Nippes mein Veedel gewesen, was ich auch immer noch gut finde. Jetzt ist es Ehrenfeld. An diesen Umkreis bin ich ja auch eigentlich stark gebunden. Aber hier in Ehrenfeld ist auch die Kreativität. Diesbezüglich ist es schon nicht vergleichbar mit irgendeinem anderen Veedel. Klar, Mülheim mit der Keupstraße ist zum Beispiel auch ein sehr interessantes Viertel, aber was Kunst angeht, ist da nicht so viel los. Deshalb würde ich schon sagen, Ehrenfeld ist mit Abstand mein Lieblingsveedel.

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Zwei Bilder aus Ehrenfeld, dem Lieblingsveedel von Odo Rumpf. Der Stadtteil ist bekannt für seine aktive Kreativszene, für Kunst und Streetart. Links: ein Mural von dem Streetart-Künstler ROA. Rechts: das Wahrzeichen von Ehrenfeld - der Heliosturm. (© Daniel Zakharov) 

Du hast in vielen Ländern der Welt ausgestellt, warst in Asien, Afrika, Amerika. Gab es irgendwann mal den Gedanken Köln und das Rheinland zu verlassen? Was lässt Dich immer wieder nach Köln zurückkehren?
Während des Studiums war ich viel unterwegs, bin viel durch die Welt gereist. Da waren schon viele interessante Länder dabei. Ich war zum Beispiel acht Monate lang in Neuseeland. Das war eine tolle Erfahrung und auch wichtig für mich. Aber Neuseeland ist im Grunde ein Segelbootland, ich habe dort nicht die Leute gefunden, mit denen ich mich über Kunst, über Kreativität unterhalten konnte und deshalb kam das für mich irgendwann nicht mehr infrage, dort zu bleiben. Es ist immer faszinierend andere Länder kennenzulernen und ich versuche, da immer tief reinzugehen. Auch in Afrika war ich viel unterwegs, sehr intensiv und über einen längeren Zeitraum, bin auch in die letzten Löcher gefahren. China war ebenfalls sehr intensiv. Das ist eine ganz andere Mentalität und wie auf einem anderen Planeten dort - wie die denken, wie die aufs Klo gehen, wie die essen. Alles ist da komplett anders. Australien wäre noch interessant gewesen. Im Laufe der Zeit hatte ich aber meine Infrastruktur hier in Köln. Den ganzen Prozess mit dem Arbeiten, mit Odonien, den habe ich total gerne. Meine Familie, meine Freunde sind auch hier. Das alles ist ja auch eine Gewohnheitssache. Natürlich gehe ich auch heute noch gerne immer mal wieder an andere Orte, aber ich muss wieder zurückkommen. Köln ist mein Ort geworden. Das ist alles völlig in Ordnung hier, deshalb muss ich auch nicht mehr weggehen. Außerdem bin ich jetzt 57, da hast du andere Gedanken, als wenn du 25 oder 30 bist. Nach zehn Jahren hier hätte man vielleicht noch überlegen können, weg zu gehen, wenn sich was ergeben hätte. Aber jetzt nach 30 Jahren habe ich gar keinen Grund mehr dazu.     

Gibt es abgesehen vom Odonien noch einen speziellen Ort in Köln, den Du besonders magst?
Auf jeden Fall die Kolbhalle. Es ist immer toll dort zu sein. Außerdem ist die Passage mit den Galerien am Ebertplatz wirklich klasse. Die beiden Orte mag ich besonders. 

Ich bin Fotograf. In der heutigen Zeit sind Fotos allgegenwärtig. Was bedeutet das Medium Fotografie für Dich persönlich und wie verwendest Du das Medium selbst?
Da hast du vollkommen recht, heute macht jeder irgendwo Fotos. Aber es fällt eben auch auf, wenn jemand gute Bilder macht. Man kann das oft gar nicht genau erklären, da spielen ganz viele Faktoren wie die Komposition oder das Licht eine Rolle. Früher fand ich Fotografie auch für mich als kreatives Stilmittel toll. Mittlerweile ist es für mich aber nicht mehr spannend selbst zu fotografieren. Natürlich mache ich auch ab und zu ein paar Fotos, aber eigentlich überlasse ich es lieber anderen. Es ist ein eigener Bereich, der auch eine gewisse Professionalität erfordert. Ich schaue mir aber gerne Bilder von anderen an, zum Beispiel auf Ausstellungen. Das finde ich schon toll. Eine Ausnahme gibt es: Urlaubsfotos. Die gucke ich mir auf gar keinen Fall mehr an. Das geht einfach nicht. Da muss schon mehr als einfach das Zweidimensionale dahinterstehen, in erster Linie die Person.    

Das Interview mit Odo Rumpf ist Teil meines Projektes "Köln - 86 Veedel" und in verkürzter Form auch in meinem Buch "Vollkommen. Köln. 86 Veedel" zu finden. Mehr dazu - HIER

Links:
Mehr zu Odo Rumpf gibt es auf der Webseite www.odorumpf.de, zu Odonien auf der Seite www.odonien.de