"Köln hat mich mit einer neuen Identität als Schriftsteller beschenkt"

Ein Interview mit dem Schriftsteller Wladimir Porudominskij.

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Wladimir Porudominskij - russischer Schriftsteller, Autor von knapp 50 Büchern, Tolstoi- und Literatur-Experte, eine Quelle des Wissens, Menschenmagnet und nebenbei mein Großvater. Bis zu meinem fünften Lebensjahr, bevor meine Eltern mit mir und meinem Bruder von Moskau nach Köln auswanderten, verbrachte ich den Großteil meiner Zeit mit ihm. Für einen kleinen Jungen wie mich war seine Welt faszinierend. Er brachte mir Schach und Skilaufen bei, zeigte mir, wie sich ein Mann mit einem Elektrorasierer rasiert, lehrte mich Eishockey, nahm mich zum ersten Mal ins Stadion mit, machte mich mit der russischen Malerei vertraut, indem er Postkarten von bekannten Gemälden sammelte und Geschichten dazu erzählte und zeigte mir, wie man die Schreibmaschine bedient. Deutlich später in Deutschland weihte er mich in die Welt der klassischen Literatur ein, indem er mir vorlas oder bekannte Werke von Homer, Dickens oder Hugo auf dem Weg zum Kindergarten nacherzählte und unterstützte mich als Jugendlicher dabei eigene Bücher zu kreieren. In folgendem Interview sprechen wir über seine Anfänge als Schriftsteller, seine Arbeit, den kreativen Prozess und natürlich die Stadt Köln, in der er seit Anfang der 90er Jahre lebt und arbeitet. 

Du bist Schriftsteller. Wie ist es dazu gekommen? War das schon dein Kindheitstraum?
Ich wollte tatsächlich schon als Kind Schriftsteller werden. Zwar gehörte ich nicht zu den Leuten, die schon seit der Kindheit zielstrebig daran gearbeitet haben, aber ich hatte immer dieses Gefühl, dass sich mein Leben um das Schreiben drehen würde. Als Kind begann ich zunächst Gedichte zu schreiben. Studiert habe ich nach dem Schulabschluss dann aber zunächst das Redakteurswesen, obwohl ich eigentlich nie Redakteur werden wollte. Danach folgte der Militärdienst und später die Arbeit im journalistischen Bereich, die mir aber nicht wirklich gefiel, weil ich von Natur aus kein Journalist bin.
In Bezug auf die Ausgangsfrage ist es mir noch sehr wichtig, folgendes zu ergänzen: Ich bin immer noch auf dem Weg ein Schriftsteller zu werden. Es ist für mich ein so fließender Bereich des Lebens, eine fließende Art des Schaffens. Denn man verändert sich permanent, somit auch der eigene Schreibstil, die Themen über die man schreibt und all dies wiederum verändert auch wieder einen selbst. Das Leben ändert sich, die Menschen um einen herum ändern sich, die Literatur ändert sich. Man beobachtet, wie die Literatur sich wandelt, wie neue Genres entstehen. Es ist ein sehr lebendiger Prozess. Deshalb werde ich nie Schriftsteller sein, ich werde immer auf dem Weg sein, einer zu werden. Ich bin fast 90 Jahre alt und schreibe heute völlig anders als es vor zwei oder sogar einem Jahr noch war, und das am selben Ort. 

Heute versuchen viele junge Schriftsteller einen Verlag zu finden, bei dem sie ein Buch rausbringen können. Bei den Verlagen stapeln sich eingesandte Manuskripte, die oft ungelesen bleiben. Wie war es damals bei dir? Wie bist du damals als junger unbekannter Schriftsteller zu deinem ersten Buchauftrag gekommen?
Ich habe mich damals nie mit Manuskripten bei Redaktionen beworben, so wie es viele gemacht haben. Aber ich hatte immer den Traum ein Buch über den Schriftsteller Garschin [Wsewolod Garschin, 1855-1888, russischer Schriftsteller] zu schreiben. Heute kennen ihn viele garnicht mehr, damals aber war er ziemlich bekannt und noch nicht in Vergessenheit geraten. Für mich war er immer eine sehr spannende Persönlichkeit. Wie ich das Buch schreibe und wo ich es veröffentliche, wusste ich damals nicht, aber dieser Wunsch war fest in mir verankert. Und wie das Leben so spielt, geschehen manchmal unerwartete Zufälle. Denn genau zu der Zeit war der Verlag „Die Junge Garde“ [russisch. „Molodaja Gvardia“] auf der Suche nach mir. Es stellte sich heraus, dass eine ehemals gute Freundin aus der Studienzeit dort arbeitete. Zwar hatte ich sie bestimmt zehn Jahre nicht gesehen; als aber neue Autoren für die Reihe „Das Leben großer Persönlichkeiten“ gesucht wurden, hatte sie an mich gedacht und mich der Redaktion empfohlen. Einst hatte ich ihr mal sehr geholfen und es war ihr ein großes Bedürfnis sich zu revanchieren. Als ich mich beim Verlag vorstellte, wurde ich gefragt, über wen ich denn gerne schreiben würde, woraufhin ich direkt Garshin vorgeschlagen habe. Der Vorschlag kam sehr gut an.

In diesen Biografiereihen gibt es immer bedeutende „A-Persönlichkeiten“, über die jeder schreiben will und es gibt sozusagen die „B-Persönlichkeiten“, über die viel weniger geschrieben wird. Da ein Verlag natürlich nicht alle Bücher über die "A-Persönlichkeiten" auf einmal rausbringen wollte, hat man dazwischen eben Bücher über die „B-Persönlichkeiten“ publiziert. Aus diesem Grund kam denen mein Vorschlag auch ganz gelegen. Bevor man allerdings mit dem Verlag einen Vertrag unterschrieb, war es üblich, dass man ein Probekapitel schreibt. So konnte der Verlag erstmal schauen, ob ihm der Schreibstil überhaupt ins Konzept passt. Mein Probeartikel gefiel der Redaktion auf Anhieb sehr gut und so durfte ich das Buch schreiben. Garschin hat einfach zu mir gepasst, ich habe zu Garschin gepasst und zusammen haben wir sehr gut zum Verlag gepasst. 
In der Folgezeit schrieb ich dann weitere Biografien, obwohl ich eigentlich auch gerne Prosa und Erzählungen geschrieben hätte. Dafür hatte ich aber erstmal keine Zeit. Erst als ich nach Köln kam und mir hier mein Fundament an Archiven und Bibliotheken fehlte, begann ich Erzählungen zu schreiben. 
Übrigens ist die Freundin, die mich zum Verlag geholt hat, vorgestern 90 Jahre alt geworden. Ich habe sie angerufen und ihr zum Geburtstag gratuliert. 

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Das alte Arbeitszimmer von Wladimir Porudominskij in Moskau. Vorher war es schon das Arbeitszimmer seines Vaters.

Hat Kreativität schon in der Jugend eine Rolle bei dir gespielt?
Das künstlerische Schaffen hat mich immer interessiert. Ich war schon ziemlich kreativ, aber es ist nicht zu vergleichen mit anderen sehr talentierten Leuten. Als Kind habe ich aber sehr viel gelesen und in der Schule einen wirklich großartigen Literaturkurs besucht. Wir haben dort gelesen und Vorträge über große Schriftsteller gehalten. So sprachen wir zum Beispiel über Schiller, obwohl sich die Sowjetunion zu der Zeit im Krieg mit Deutschland befand. Das war der wundervollen Frau Kochinovskaja zu verdanken, eine Lehrerin der alten Schule. Parallel habe ich auch viel geschrieben, damals allerdings in erster Linie journalistische Artikel. 

In der Moskauer Wohnung, in der du aufgewachsen bist, warst du umgeben von Büchern. Im Arbeitszimmer deines Vaters stapeln sich an jeder Wand die Bücher bis zur Decke. Gab es ein besonderes Buch, das dich als Kind sehr beeindruckt und inspiriert hat?
Ja, ich war wirklich von ihnen umgeben. Wir hatten sehr viele Bücher und haben permanent neue geschenkt bekommen, weshalb ich auch sehr, sehr viel gelesen habe. 
Welches Buch mich damals ganz besonders geprägt hat, kann ich garnicht mehr genau sagen. Es gab eine Reihe sowjetischer Jugendromane, die nicht schlecht geschrieben waren, für die wir uns interessierten und die wir immer wieder lasen. Zum Beispiel der Roman „Der Torwart der Nation“ [russ. „Vratarj Respubliki“ von Lew Kassil]. Aber gleichzeitig wurde bei uns Zuhause auch sehr viel seriöse klassische Literatur gelesen. Mit acht Jahren zum Beispiel habe ich angefangen, Puschkin [Alexander Puschkin, 1799-1837, größter russischer Dichter] zu lesen. 1937 gab es ein großes Jubiläum zum hundertsten Todestag von Puschkin, das im ganzen Land zelebriert wurde. Es war ein wunderschönes, zugleich aber auch ein grässliches Jubiläum. Grässlich, weil es das Jahr 1937 war, eine Zeit des Terrors, in der Menschen zu Tausenden in Lager verfrachtet wurden. Wunderschön, weil das ganze Land in großem Ausmaß Puschkin las. Auf jedem Heft waren seine Texte, seine Zeichnungen, seine Porträts abgedruckt. Das ganze Land lebte und atmete Puschkin. Zu diesem Jubiläum wurde sein Gesamtwerk in sechs Bänden neu verlegt und so habe ich angefangen, ihn richtig zu lesen. Überhaupt haben meine Eltern immer sehr darauf geachtet, dass ich viel klassische Literatur lese. Als ich mit acht Jahren zum Beispiel schwer erkrankte, hat mir mein Vater „Belkins Erzählungen“ von Puschkin, Tolstois „Kindheit“, Tschechov und Gogol vorgelesen. 

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Puschkin - der größte Dichter Russlands. Ein Denkmal in Moskau. © Daniel Zakharov

Wie viele Bücher hast du bis heute geschrieben bzw. wie viele wurden publiziert?
Hier muss man unterscheiden. Zum einen gibt es die geschriebenen Bücher, zum anderen die veröffentlichten. Manchmal hat ein Schriftsteller mehr geschrieben als er veröffentlicht hat und in anderen Fällen wurde mehr publiziert als insgesamt geschrieben wurde, weil Bücher oft mehrmals verlegt werden. So ist es zum Beispiel bei mir. Ich habe sie nie gezählt, aber ich denke an die 50 Bücher werde ich geschrieben haben. Herausgebracht wurden an die 75 Bücher. 

Wie entsteht bei dir die Idee zu einem neuen Werk, was inspiriert dich dazu? Wie kommst du auf ein Thema oder zum Material für ein neues Buch?
Inspiration und Material sind zwei unterschiedliche Dinge. Fangen wir mit dem letzteren an: Ich habe es geliebt, Informationsmaterial für ein Buch zu sammeln und in Archiven zu arbeiten. Zu der Zeit war ich einer der wenigen Biografen, die nicht nur in Bibliotheken, sondern auch in Archiven gearbeitet haben, wo handgeschriebene Dokumente zu finden waren. Das Leben und die Atmosphäre rund um die Bibliotheken habe ich geliebt. Die Historische Bibliothek Moskaus war wie mein zweites Zuhause. Sie war nicht weit entfernt von meiner Wohnung und wurde praktisch mein zweiter Wohnsitz. Der ganze Prozess der Recherche machte mich immer sehr glücklich.
 
Die Intention ein Buch zu schreiben hatte immer einen anderen Ursprung. Nehmen wir wieder das Garshin Buch. Warum wollte ich unbedingt dieses Buch schreiben? Weil das Thema viel mit meiner Kindheit zu tun hat. Mein Vater hat Garshin sehr geliebt und mir seine Erzählungen und Märchen immer wieder nacherzählt. So verband ich Garshin immer unweigerlich mit meinem Vater, meiner Kindheit und empfand ihn als einen tollen Autor und als perfekten Menschen.
 
Neben Garshin wollte ich auch immer über Ge [Nikolai Ge, 1831-1894, russischer Maler] schreiben. Und auch hier war es eine glückliche Fügung. Der Verlag bekam einen neuen Projektleiter, der eine neue Buchreihe herausbringen wollte. Da ich mir zu der Zeit schon einen Namen als Biograf gemacht hatte, wandte er sich an mich und fragte, über wen ich denn gerne schreiben würde. Obwohl ich stark zweifelte, dass mein Vorschlag angenommen würde, war meine Antwort Ge. Er war ein religiöser Maler und zu der Zeit wurde alles, was mit Religion zu tun hatte, aus dem Leben verbannt. Deshalb ergänzte ich meinen Vorschlag vorsichtshalber mit dem Nachsatz: „Wenn Sie das nicht interessiert, hätte ich auch andere Themen.“ Darauf entgegnete der Projektleiter nur: „Was können denn für andere Themen infrage kommen, wenn Sie mit Gott sprechen wollen?“ So wurden wir Freunde und das Buch über Ge ist auch erschienen.

Dann zum Beispiel das Buch über den Arzt Pirogow [Nikolai Pirogow, 1810-1881, einer der bedeutendsten Chirurgen in der Geschichte der Medizin]. Da meine Eltern Ärzte waren und ich im Umfeld der Medizin aufgewachsen bin, wollte ich unbedingt über einen Arzt schreiben. Pirogow war in der russischen Medizin die Nr. 1, deshalb war es eine logische Konsequenz, über ihn zu schreiben.

Pirogow war wiederum mit Dal [Wladimir Dal, 1801-1872, der größte russische Lexikograf und Autor des umfangreichsten Wörterbuchs der russischen Sprache] bekannt, was ich in dem Buch auch erwähne. Und siehe da, auf einmal bekam ich die Gelegenheit auch über ihn zu schreiben. Die Frau eines Kinderbuchautors wandte sich an mich, ob ich nicht interessiert sei, ein Buch über Dal zu schreiben. Ihr Mann hatte Material für ein Kinderbuch über ihn gesammelt, verstarb aber, bevor er mit der Arbeit am Buch beginnen konnte. Das Material war sehr dürftig, aber ich erklärte mich dennoch bereit, die Aufgabe anzunehmen. Nachdem sie den Kontakt mit dem Verlag hergestellt hatte und mich als neuen Autor vorstellte, bat mich die Frau lediglich darum, ihren Mann im Vorwort zu erwähnen. Als ich mit der Arbeit fertig war, war mir das aber zu blöd. Obwohl ich diesen Mann persönlich nie gekannt habe, ließ ich seinen Namen als Co-Autor zusammen mit meinem auf dem Cover drucken. Im Nachhinein muss ich gestehen, dass es eine gute Tat war, weil die Familie des verstorbenen Mannes dadurch auch finanziell unterstützt wurde. Dafür wurde ich aber auch reichlich entlohnt. Denn ab diesem Zeitpunkt war ich immer mit Dal verbunden. Anhand von Archivmaterialien habe ich später das erste große Buch über ihn verfasst und da nun alle wussten, dass ich mich mit der Materie gut auskannte, bekam ich immer wieder neue Aufträge, über Dal und sein Wörterbuch zu schreiben. 

Übrigens höre ich von vielen Schriftstellern immer wieder den Satz: „Ich mache keine Auftragsarbeiten“. Das ist eine schwachsinnige Einstellung. Schriftsteller nehmen sehr wohl Auftragsarbeiten an und daran ist nichts Verwerfliches. Wenn du einen Auftrag annimmst, der dir nicht liegt und das Thema fremd ist, dann ist das eine Sache. Solch eine Aufgabe kann dir aber auch sehr liegen und dich im Nachhinein auf neue Themen bringen, die dich interessieren und weiterbringen.

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Wladimir Porudominskij in seiner Wohnung in Köln-Lindenthal. © Daniel Zakharov

Was geschieht, wenn du ein Thema oder eine Idee für ein neues Buch gefunden hast? Wie gehst du weiter vor?
Das geschieht auf unterschiedliche Art und Weise. Meistens fängt man damit an, alles zu lesen, was es zu dem Thema gibt. Sowohl konkret zum Thema, als auch zu allem was mit dem Hauptthema zu tun hat. Das Internet heute ist in dieser Hinsicht natürlich sehr praktisch. Im Gegensatz zu vielen älteren Kollegen bin ich kein Feind des Internets. 
Andererseits hat es aber auch viele Nachteile. Denn das Internet sagt dir alles vor, es beginnt dich zu führen und nicht umgekehrt. Du gibst zum Beispiel das Thema „Gogol und Italien“ ein und bekommst Informationen dazu. Es gibt zu dem Thema aber eigentlich viel mehr Informationen und Material, das man dort nicht bekommt. Dieses Wissen ist oft in Büchern zu finden, bei denen weder Gogol noch Italien auf dem Umschlag steht. Es könnten zum Beispiel Erinnerungen eines anderen Schriftstellers sein und diese Informationen bekommst du im Internet einfach nicht. Die Arbeit mit diesem Material ist sehr umfangreich, weil es dir sehr viele Aspekte näher bringt (Kleidung, Wetter, Natur). Das sind Informationen, die du im Internet nicht erfragen kannst, wenn du sie vorher nicht weißt. 
Als nächsten Schritt erstelle ich einen Plan, wie ich schreiben werde und versuche schon etwas aufs Papier zu bringen. Anhand dieses Planes, der sich oft auch verändert, beginnt man dann weiteres Informationsmaterial zu sammeln. Die literarische Arbeit beginnt dich nun zu führen. Manchmal möchtest du etwas Bestimmtes schreiben, um festzustellen, dass am Ende etwas völlig anderes entsteht. Du gerätst in einen Fluss, in eine entstandene Logik, die du manchmal selbst erschaffst, die aber oft auch deine Figur erschafft. Aus diesem Grund kommt es häufig vor, dass der ursprüngliche Plan garnicht aufgeht. Dann merkt man, dass es so nicht funktioniert und darauf fängst du an, dich mit dieser Problematik auseinanderzusetzen. Wenn man einen Roman schreibt, verändert sich der Romanheld permanent. Man möchte zum Beispiel eine kritische Figur erschaffen und stellt fest, dass es fast schon das Gegenteil geworden ist. Das Wichtigste ist dabei immer, dass das Ganze eine schlüssige Logik in sich trägt. 
Puschkin sagte zum Beispiel einmal über seine Romanheldin: „Stellt euch vor, was meine Tatjana gemacht hat - sie hat geheiratet“. Er hat also nicht damit gerechnet, dass sie heiraten wird. Ich zitiere das gerne, um zu zeigen, dass der Held oft anders handelt, als man es sich vorher überlegt hatte. Der Unterschied von Romanen zur biografischen Texten ist natürlich, dass ich dort selbstverständlich nichts verändern darf. 
Aber auch wenn man für eine Biografie das Leben eines Menschen studiert, stößt man unweigerlich immer wieder auf Veränderungen - der Protagonist hat Krisen, bleibt stehen, versucht Entscheidungen zu treffen, wird zurückgeworfen, durchlebt Umbrüche. Wenn du nicht einfach nur sachlich beschreiben willst, sondern tiefer gehen möchtest, dann fängt das Material an zu arbeiten. 
Generell kann ich nicht über etwas schreiben, worüber ich nicht richtig Bescheid weiss. Deshalb kann ich zum Beispiel auch nicht viel über das aktuelle Russland schreiben. Ich lebe nun weit weg, das Land wirkt physisch nicht auf mich, ein Aspekt der mir sehr wichtig ist. Man muss die Straße auf sich wirken lassen, spazieren gehen können, sprechen, sehen, hören. Es ist eine Generation herangewachsen, für die das, was ich schreibe, mittlerweile Geschichte ist. Wenn ich über den Krieg, die 60er oder 70er Jahre schreibe, dann ist das für sie bereits uralte Geschichte. Ich denke immer daran, dass es die jüngere Generation wahrscheinlich nicht wirklich interessieren wird, aber das ist ok für mich, weil mir bewußt ist, dass ich über Zeit schreibe. Der Hauptprotagonist all meiner Werke ist die Zeit. Darüber zu schreiben ist für mich sehr wichtig. 

Nun hast du eine Menge Wissen und Informationsmaterial gesammelt, einen Plan erstellt. Wie beginnst du den Schreibprozess?
Das ist bei jedem Schriftsteller anders. Ich persönlich versuche immer ganz vorne anzufangen. Dies ist der wichtigste und schwierigste Moment überhaupt, weil der Anfang einen Rhythmus für das ganze Werk vorgibt. Der erste Satz ist für den Schriftsteller wie eine Knospe, aus der später das ganze Blatt herauswächst, wogegen er dem Leser vielleicht garnicht so besonders erscheint. Zum Beispiel kann ich beginnen, in dem ich sage: „Ich zog die Mütze an und ging aus dem Haus“ oder ich kann schreiben: „Morgens habe ich die Mütze angezogen, bin aus dem Haus gegangen…“. Hier fangen schon zwei völlig verschiedene Werke an. 

"Ich möchte immer schreiben. Wenn es nicht gelingt, nimmt mich das immer sehr mit."

Wenn jemand einen Text oder ein Buch schreiben will, auf welche Elemente muss er achten, um den Leser zu fesseln und für sich zu gewinnen? Kannst du die wichtigsten Elemente nennen, die unabdingbar sind, um einen Leser zu fesseln und für sein Werk zu gewinnen?
Auf diese Frage kann es keine eindeutige Antwort geben, weil jeder Leser nach etwas anderem sucht und verlangt. Nehmen wir zum Beispiel eine Biografie - der eine möchte eine seriöse, sachlich geschriebene Biografie lesen, ein anderer möchte dieselbe Biografie dagegen lieber in Form einer Erzählung lesen. Deshalb glaube ich gibt es hier nicht die eine Lösung. 

Jeder Kreative durchlebt Momente, in denen nichts zu gelingen scheint und man überhaupt keine Ideen entwickeln kann. Wie gehst du damit um?
Das sind schreckliche Phasen. Im Moment habe ich so eine Phase. Aber so ist das mit der Kreativität - um sie zu entfalten, muss eine Kombination von gewissen Faktoren stimmen, wie zum Beispiel das eigene Wohlbefinden oder die Stimmung. Generell hängt viel vom Charakter des Autors ab. Der Eine zieht sich in seine Kreativität zurück, wenn es ihm besonders schlecht geht, der Andere dagegen kann überhaupt nicht arbeiten, wenn seine Seele unruhig ist. Das ist eine sehr schwierige Situation. Alle Schriftsteller, die ich bis jetzt getroffen habe, hatten diese Angst, dass sie es nie mehr schaffen würden, etwas Neues zu schreiben. Deshalb sind diese Unterbrechungen in der Kreativität immer sehr schwer zu verarbeiten. Es gibt aber auch einfach unterschiedliche Typen.
Als ich noch jung war, fragte mich ein erfahrener Schriftsteller: 
„Wie ist die normale Position deiner Bahnschranke?" Ich verstand nicht. Daraufhin klärte er mich auf: „Bahnleute streiten sich immer, was wohl die normale Position einer Bahnschranke ist - wenn sie offen oder wenn sie geschlossen ist.“ Bei ihm war sie zu. Im Grunde wollte er nie schreiben, aber manchmal öffnete sich die Schranke und er bekam Lust, etwas zu erschaffen. Bei mir ist die Schranke dagegen offen - ich möchte immer schreiben. Wenn es nicht klappt, nimmt mich das immer sehr mit. 

Wie kommst du aus diesen Phasen wieder raus?
Es geschieht irgendwann von selbst. Man denkt viel über das Ein oder Andere nach und findet irgendwann den Ausweg. 

Gibt es gewisse Rituale, die dir das Arbeiten erleichtern?
Die Frage ist für mich prädestiniert, da ich sehr an Ritualen hänge. Womit es zusammenhängt, kann ich garnicht sagen. Zum Beispiel schreibe ich am liebsten auf kariertem Papier. Vielen Kollegen ist es egal, sie schreiben irgendwie, oft völlig unlesbar. Meine Handschrift ist sehr ordentlich. In einem Heft mit karierten Seiten wirkt sie noch größer und ist somit angenehm zu lesen. Wenn ich dann kein kariertes Papier zur Hand habe, fällt es mir schwerer zu schreiben. 
Da fällt mir allerdings gerade ein, dass mir eine Verlagsmitarbeiterin immer gesagt hat, dass sie Kreislaufprobleme bekommt, wenn sie meine Manuskripte vom karierten Papier abtippen muss. 

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Einige Bücher von Wladimir Porudominskij wurden auch ins Japanische übersetzt. Hier das Buch über den Maler Nikolai Ge. (© Daniel Zakharov)

Welches Buch ist dir deiner Meinung nach am besten gelungen?
Eine sehr schwere Frage. Es gibt hier zwei Aspekte. Es gibt mit Sicherheit sehr gelungene Bücher, wie das über Ge oder Dal, wenn wir jetzt die Biografien nehmen. Dann „Leo Tolstoj und die Medizin“, ein Buch - das leider zu wenig Aufmerksamkeit bekommen hat - zu einem Thema, das mir mein Freund Alexander Vein vorgeschlagen hat. Auch das Werk „Späte Zeit“ über meine Krankheit. Aber es gibt da so eine komische Sache: Es gibt Werke, die man objektiv vielleicht nicht zu den Besten zählen kann, die ich aber dennoch sehr liebe. Ich habe zu ihnen eine Beziehung wie zu einem Kind. Es gibt zum Beispiel ein Werk, das ich nicht nennen möchte, das ich immer wieder lese und bei dem mir dann oft sogar Tränen kommen. Aber eigentlich lese ich meine Bücher nach dem Erscheinen nicht mehr, nur wenn dort wichtige Informationen zu finden sind, die ich gerade gebrauchen kann. 

In deinem Leben hast du dich sehr viel mit Tolstoi beschäftigt und einige Bücher über ihn geschrieben. Warum hat ausgerechnet er dich so fasziniert?
Für mich ist er wie ein Lehrer im Leben und ich teile viele seiner Ansichten. Ich finde, dass Tolstoi genial war, er hat viele wesentliche Kernfragen des Lebens und der Welt behandelt, die auch viele Jahrzehnte später immer noch aktuell sind, auch wenn Einigen gewisse Dinge in seinen Werken heute vielleicht simpel und naiv erscheinen mögen. Aber ich finde bei ihm auf viele Fragen eine Antwort und erinnere mich immer wieder, dass er zu einem bestimmten Thema schon etwas geschrieben hat. Der Gedanke, dass man gegen das Schlechte ankämpfen muss und gleichzeitig immer wieder an sich selbst arbeiten sollte, sind wesentliche Aspekte seiner Geisteshaltung, die ich für sehr richtig halte. Ja, das mag naiv klingen oder nicht umsetzbar. Aber was ist schon machbar? Tolstoi war der Überzeugung, dass das Christentum, was Moral und Ethik betrifft, unübertroffen ist. All seine Werke behandeln und setzen sich mit der Ethik des Christentums auseinander, was mir sehr zusagt.  

"Literatur ist eine Art Schule des Lebens."

In der heutigen Zeit wird wenig gelesen. Warum ist deiner Meinung nach Literatur so wichtig?
Du stellst eine Frage, über die sich Menschen Jahrhunderte den Kopf zerbrochen haben und ganze Bücher darüber verfasst haben. Ich werde versuchen, auf diese Frage einfach und kurz zu antworten: Menschen lernen zu leben. Wenn sie Romane oder Erzählungen lesen, fesselt sie zum einen die Geschichte, zum anderen vergleichen sie das Gelesene mit ihrem eigenen Leben, projizieren es auf sich. Literatur ist somit eine Art Schule des Lebens, die jederzeit zugänglich ist und die nicht nur den Verstand, sondern auch die Emotionen berührt. Man lernt durch Literatur einerseits viel über das Leben und schult gleichzeitig auch sein eigenes Denken.  

Jeder muss auf seinem beruflichen Weg Niederlagen hinnehmen. Was war die größte Enttäuschung in deinem Berufsleben?
Eine richtige Krise, bei der ich mit dem Schreiben aufhören wollte, gab es nie. Es gibt aber einige Werke, bei denen ich heute denke, dass ich sie nicht hätte schreiben sollen, auch wenn sie vielleicht gut angekommen sind. Aber nicht, weil sie schlecht waren oder weil ich unzufrieden wäre mit der Art, wie ich sie geschrieben habe, sondern weil sie mir einfach nicht wirklich wichtig waren. 

Gab es besondere Erfolge, die dir heute noch viel bedeuten?
Jedesmal wenn ich ein Buch beendet und abgegeben habe, war es für mich wie ein Triumph. Es gab einige Erfolge. Dazu zähle ich die Bücher über Ge, über Brjullow [Karl Brjullow, 1799-1852, russischer Maler und Architekt], „Der traurige Soldat“, einige Erzählungen wie „Späte Zeit“ oder „Die Beerdingung der Großmutter im Winter des Jahres 1953“, eine Erzählung, die schon oft publiziert wurde. Ein Kritiker schrieb mal: „Es ist eine großartige Erzählung. Ich will darüber eigentlich nicht viel schreiben, weil man hier jedes Wort einzeln lesen und auf sich wirken lassen muss“. 

Was bedeutet dir generell Erfolg?
Nicht viel. Auf der einen Seite bin ich von Erfolg verwöhnt, auf der anderen aber auch nicht. Verwöhnt, weil das, was ich geschrieben habe, im Prinzip vielen Menschen gefallen hat und ich immer sehr viel positives Feedback bekommen habe. Nie musste ich jahrelang für ein Buch kämpfen, weil der Verlag es nicht gut fand, was daran liegt, dass ich am Ende immer ein gutes und überzeugendes Ergebnis abgebe. Wenn ich an einem Buch arbeite, fühle ich mich dafür verantwortlich und tue dementsprechend alles dafür, bei der Abgabe ein gutes Gefühl zu haben. 
Andererseits wurde ich auch nie in den Himmel gelobt, habe nie massenweise Rezensionen bekommen und auch nie zu den größten Schriftstellern gehört. Ich habe aber das Gefühl, einfach gut gearbeitet zu haben und einen Kreis von guten treuen Lesern gehabt zu haben. 

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Einige Bücher von Wladimir Porudominskij. Rechts das Buch über Erwin Planck (Sohn von Max Planck), das auch ins Deutsche übersetzt wurde.

Wie würdest du Erfolg generell definieren?
Erfolg ist, wenn man das Verlangen hat, immer weiter zu arbeiten, zu schreiben, zu erschaffen. Es ist für mich etwas, was sich nicht in äußeren Dingen manifestiert. Erfolg, der von Außen kommt, hängt oft von gewissen Faktoren und Zufällen ab. Es gibt Schriftsteller, die einen riesigen Erfolg haben und sehr berühmt werden, obwohl sie nicht wirklich gut schreiben können. 
Meine Frau Nadezhda war eine sehr feinsinnige Leserin, die das geschriebene Wort und das künstlerische Schaffen sehr ernst genommen hat. Mit ihrer Meinung war sie immer sehr ehrlich und aufrichtig und hat nie jemandem nach dem Mund geredet. Wenn sie dann ein Werk von mir gelobt hat, manchmal sogar sehr gelobt hat, dann war es für mich ein großer Erfolg. Dann wusste ich, dass mir etwas wirklich gut gelungen war. 

Du lebst mittlerweile 24 Jahre in Köln. Wie bist du nach Köln gekommen?
Nach Köln gekommen bin ich, weil meine Kinder hier lebten. Darüber, dass es ausgerechnet Köln geworden ist, bin ich sehr glücklich. Die Stadt hat mir in allen Bereichen unglaublich viel gegeben. Auf professioneller Ebene zum Beispiel hat sie mir so viel gegeben, dass ich manchmal mit Grauen daran denke, dass ich in einer anderen Stadt hätte landen können. 

Was verbindet dich mit der Stadt?
Abgesehen davon, dass meine Familie hier lebt, habe ich Köln einfach lieben und schätzen gelernt.

Du hast den Großteil deines Lebens in der Metropole Moskau verbracht. Was war die größte Umstellung nach dem Umzug nach Köln?
Köln hat in meinem Leben viel verändert. Ich war an eine riesige Metropole gewöhnt, die Moskau nun einmal ist. Aber jetzt bin ich in Köln und seine im Vergleich zu Moskau geringe Größe reicht mir heute völlig aus. Nachdem ich Moskau verlassen hatte, war ich überzeugt, dass meine literarische und kreative Arbeit beendet ist. Zu der Zeit war ich sehr viel mit Tolstoi beschäftigt und begann, in Köln angekommen, an dem Buch „Tolstoi und die Farben“ zu schreiben, für das du mir damals auch ein bisschen geholfen hast. Deshalb dachte ich zunächst einfach, dass ich in Köln ab und zu Essays über ihn verfassen werde. Aber schlußendlich hat mich die Stadt mit einer neuen Identität als Schriftsteller beschenkt. 

Inwiefern hat Köln auf deine Arbeit gewirkt?
Es ist schwer auf diese Frage zu antworten. Vielleicht hätte ich in Odessa oder Oslo genauso gut arbeiten können. Ich kann hier einfach sehr gut schreiben. Die Stadt hat einfach zu mir gepasst.

Was gefällt dir an Köln? 
Mir gefällt die Atmosphäre hier, obwohl sich da auch vieles verändert hat, seitdem ich hier bin, vor allem die offene und freundliche Art, wie die Leute hier miteinander umgehen. Diese allseits bekannte Kölsche Art existiert trotz aller Veränderungen auch heute noch. Ich liebe den Dom und die Romanischen Kirchen. Heute gehe ich aber öfter in den Park als in die Innenstadt. Früher habe ich das Haus verlassen und war einen halben Tag unterwegs - bin zum Beispiel zu St. Pantaleon gegangen, zu St. Georg, zu St. Maria Lyskirchen und verweilte dort eine zeitlang. Danach bin ich oft runter zum Rhein spaziert. Diese Spaziergänge durch die Stadt waren damals große Momente des Glücks für mich. Auch heute spaziere ich immer noch sehr gern durch Köln. 

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Zwei der 12 bekannten romanischen Kirchen in Köln - Sankt Pantaleon & Sankt Maria im Kapitol. 

Gibt es einen speziellen Ort in Köln, den du besonders magst?
Den Stadtwald liebe ich sehr. Ich gehe immer wieder gerne dort spazieren, auch wenn die Strecken, die ich laufe, mittlerweile kürzer geworden sind. In den letzten drei Tagen habe ich zum Beispiel bei Dämmerung jeweils dort eine Runde um den Weiher gedreht. In der Innenstadt sind es die romanischen Kirchen, die ich bei einem Spaziergang gerne besuche. 

Die Stadt hat 86 Stadtteile. Welchen würdest du hervorheben?
Ich glaube diese Frage kann ich nicht gut beantworten, weil ich nicht allzu viele Viertel kenne und immer in denselben Stadtteilen in Köln unterwegs bin. Natürlich könnte ich Lindenthal nennen, aber das wäre lächerlich, schließlich wohne ich hier. Marienburg ist auf jeden Fall sehr schön, aber leider sehr abgeschottet - alle Häuser sind von hohen Zäunen umgeben. Manchmal kommt man aber auch in ein Viertel, wo man direkt merkt, dass es einfach nicht dein Stadtteil ist. 

Umgekehrt gefragt: Was gefällt dir nicht an Köln und was würdest du ändern, wenn du die Möglichkeit dazu hättest?
Mit Augenmaß und sehr vorsichtig würde ich Teile der Architektur verändern, vor allem in der Innenstadt. Anhand der Häuser, die den Krieg überstanden haben, kann man erahnen, wie schön diese Stadt früher war. Leider wurde sie nach dem Krieg mit teilweise sehr unschönen und scheußlichen Gebäuden bebaut. Es ist verständlich, weil man nach dem Krieg kein Geld hatte, die Stadt aber trotzdem schnell aufgebaut werden musste. Also denke ich, dass man sich mit Architektur beschäftigen sollte. Köln könnte eine sehr schöne Stadt sein. 

Die russische Literatur ist weltbekannt. Welche drei Bücher der russischen Literatur muss man deiner Meinung nach gelesen haben?
Die russische Literatur ist eine Welt, in der ich mein Leben verbracht habe. Die Werke der bedeutenden russischen Schriftsteller helfen mir auch heute noch, die Welt, die Menschheit und einzelne Menschen zu verstehen, Antworten auf spirituelle Fragen, sowie Fragen des Seelenlebens zu finden. Zu jedem dieser Schriftsteller, eingeschlossen meiner Zeitgenossen, wie Platonow, Mandelstam, Pasternak, Bulgakow, habe ich eine sehr eigene Beziehung. Jeder von ihnen ist unentbehrlich für mich. Deshalb fällt es mir sehr schwer auf diese Frage zu antworten, indem ich drei Bücher nenne. Wenn man aber die Poesie außen vor lässt (auch Puschkin), weil hier die Schwierigkeit der Übersetzung eine zentrale Rolle spielt, so würde ich sagen, sollte sich jeder mit „Krieg und Frieden“ [Tolstoi] und „Die Brüder Karamasow“ [Dostojewski] vertraut machen. 

Was war der beste Ratschlag, den du im Leben bekommen hast?
Zunächst wollte ich sagen: „Sei du selbst“. Aber ich denke, dass es nicht ganz richtig ist, weil jeder Mensch auch etwas Schlechtes und Grausames in sich trägt, etwas was man versuchen sollte, aus seinem Leben zu verbannen, vor allem wenn du mit anderen Menschen zusammenlebst. Aber auf der anderen Seite hast du in dir auch den wesentlichen Kern, das Gute. 
Es gibt so eine Geschichte über einen Zaddik [eine Art „Weiser“, „Gelehrter“ im Judentum] namens Zusha. Er sagte einmal: „Wenn ich in den Himmel komme und vor Gott stehe, wird er mich nicht fragen, warum ich nicht Moses gewesen bin, sondern warum ich nicht Zusha war.“ Die Frage wird also sein: Warum bist du nicht du selbst gewesen und hast nicht das Gute gemacht, was du in der Lage warst zu tun. 
Deshalb denke ich, dass der Ratschlag von Friedrich Haass [1780 - 1853, deutsch-russischer Mediziner, auch der „heilige Doktor von Moskau“ genannt] „Beeilt euch Gutes zu tun“ der beste Ratschlag ist, den man bekommen kann. Der Mensch lebt im Hier und Jetzt. Aus diesem Grund sollte man jetzt Gutes tun und dann weiterschauen. Darüber hat übrigens auch Tolstoi oft geschrieben. Daran versuche ich mich zu halten. 

Welche drei Ratschläge würdest du einem angehenden Schriftsteller geben?
1. Sei mutig.
2. Lass dich nicht dazu verleiten, respektlos zu sein. 
3. Beschäftige dich intensiv mit Sprache / mache dir Gedanken über Sprache. 

Hast du ein konkretes Ziel, das du gerne noch erreichen möchtest?
(Voller Begeisterung) Einfach nur - schreiben, schreiben, schreiben.